Places _ Virtual Reality Festival
Places _ Virtual
Reality Festival
- Projektjahr: 2018
- Partner: Wirtschaftsförderung Gelsenkirchen
- Ziel: Stadtteil Gelsenkirchen-Ückendorf beleben, VR-Technologie frei zugängig erlebbar machen
Im “Underground” lagen schon immer die Quellen der Inspirationen. Und der Innovationen. Wo könnte man also besser etwas Neues, etwas Andersartiges erschaffen als mitten im wild urbanen, post-industriellen Ruhrgebiet? Daran glauben wir grundsätzlich und haben unter dieser Maxime 2017 auch die Idee zum Places _ Virtual Reality Festival entwickelt.
Zwar waren wir alle mehr oder weniger Laien auf dem Gebiet der Virtual Reality, doch als in unserem “Basisquartier” auf der Bochumer Straße in Gelsenkirchen-Ückendorf mit dem vRoom die erste VR-Arcade im Pott aufmachte, fiel es uns wie Schuppen vor die Augen: Virtuelle Realität soll auf echte Realität treffen! Zeigen, was möglich ist. Zeigen, wie Orte – Places – sich ändern können, wie man sie ganz anders erleben und wahrnehmen kann.
Was uns an Wissen über die VR-Technologie und noch fehlte, haben wir mit Tatkraft und Mut ausgeglichen. Das erste Places _ Virtual Reality Festival fand unter unserer Leitung im April 2018 in mehreren außergewöhnlichen Locations im Quartier Bochumer Straße statt. Mit dem Charakter eines avantgardistischen Straßenfestivals zwischen Altbaucharme und Glasfassaden war Places das erste und für alle kostenfreie Festival für virtuelle Realität in Deutschland. Besucherinnen und Besucher, Programm-Macherinnen und -Macher konnten drei Tage lang unter anderem unterschiedliche VR-Anwendungen selbst austesten – ob Games und Unterhaltung oder Technik und Wissenschaft.
Mittlerweile ist Places zum größten Szenetreff der Virtual Reality in Deutschland avanciert und geht 2021 in seine dritte Runde. Die neue Leitung hat zwar nicht mehr der IUC e.V. inne, das Organisationsteam besteht aber immer noch aus vielen unserer Mitglieder. Der Impuls den die IUC damit gegeben haben, lebt weiter und hat Gelsenkirchen auch wirtschaftlich ein Stück weit auf die Landkarte der VR-Branche gepackt. Mit dem Teilprojekt der VR-Kunstresidenz-WG Creative _ Places hat sich der IUC e.V. 2020 zudem weiterhin am Festival beteiligt. Sechs junge Künstlerinnen und Künstler aus ganz Deutschland und Europa lebten dafür eine Woche lang gemeinsam in Gelsenkirchen-Ückendorf und erschufen während dieser Zeit eine VR-Kunstperformance, die zum Festival zu sehen war.
Places _ Facebook Seite
Places _ Veranstaltung
Fotos: Places _ VR Festival, Frank Vinken, Ravi Sejk
Ückendorf ist no No-go-Area
Gelsenkirchen-Ückendorf eine „No-go-Area“? Kriminelle Clans? Ein Polizeibericht zur vermeintlich geringen Sicherheitslage im Stadtteil sorgte in den letzten Wochen für Schlagzeilen in den Medien und beschäftigte die Politik der Stadt. Auf Basis unserer Erfahrungen vor Ort möchten wir zu dem Thema Stellung beziehen.
Als Netzwerk, das, gemeinsam oder durch die Tätigkeiten Einzelner, seit vielen Jahren Quartiersarbeit in Ückendorf leistet, halten wir einiges in der momentanen Berichterstattung und Einschätzung zur Sicherheitslage im Gelsenkirchener Süden und speziell in Ückendorf unzureichend dargestellt. Ebenso wollen wir aber auch nicht die sozialen Probleme des Stadtteils beschönigen. Wir sind die Letzten, die das tun würden. Alles andere wäre unserer eigenen Arbeit in der Standortentwicklung dort abträglich.
Jedoch ist die Situation weit weniger dramatisch, als sie in letzter Zeit beschrieben wurde. Dass in den Medien ein Polizeibericht unreflektiert und teilweise ohne eigene Recherchen vor Ort übernommen wird, Politik und Öffentlichkeit dies dann zum Anlass nehmen, um über die Lage im Stadtteil zu diskutieren oder diese als bedrohlich einzuschätzen, wird der Wirklichkeit nicht gerecht. Wenn die Polizei Gründe zur Annahme hat, dass die Sicherheit im Stadtteil bedroht sei, dann ist es natürlich ihr gutes Recht, das auch mitzuteilen. Vor allem zur Sicherheit der Polizisten. Es handelt sich dabei allerdings zunächst einmal nur um deren subjektiven Erfahrungen und Empfindungen. Andere Perspektiven nehmen andere Realitäten wahr. Selbst Polizeibeamte, aktive wie ehemalige, relativierten jetzt bereits die Situation.
Auch aus unserer Sicht ist es in Ückendorf nicht so, dass überall irgendwelche kriminelle Clans nur darauf warten loszuschlagen. Ückendorf ist ein sehr heterogener Stadtteil. Neben der oberen Bochumer Straße, die immer wieder als Beispiel für einen Brennpunkt herangezogenen wird, gibt es wenige Meter weiter gutbürgerliche Straßenzüge. Sicherlich kann man davon ausgehen, dass im Verborgenen kriminelle Strukturen, z.B. im Drogenhandel existieren, die bekämpft werden müssen. Das macht Ückendorf aber noch lange nicht zur „No-go-Area“ für Normalbürger. Aus unserer Sicht muss hier niemand befürchten, umgehend einem Verbrechen zum Opfer zu fallen. Der Begriff „No-go-Area“ scheint ohnehin stets nur in Verbindung mit der Polizeiarbeit, -präsenz oder Sicherheitslage für Polizisten an einem Ort verwendet zu werden. Und tatsächlich gibt es Bevölkerungsgruppen, die per se eine ablehnende Haltung gegenüber der Polizei einnehmen, was absolut zu verurteilen ist. Dann müssen diese aber auch ganz eindeutig benannt werden, um nicht Gefahr zu laufen, viele über einen Kamm zu scheren oder Probleme falsch zu fokussieren.
Die Einschätzungen der Polizei haben zum Teil ihre Berechtigungen, lassen aber insgesamt eher auf ein taktisches Vorgehen schließen, um vom Land NRW keine Mittel oder Personalkraft gestrichen zu bekommen. Wir erleben in unserem Alltag und Arbeiten in Ückendorf keinerlei Bedrohungen. Die größte Herausforderung der problematischen Viertel im Stadtteil ist vielmehr die ökonomische, soziale und kulturelle Verödung, wenn die Entwicklungsarbeit vernachlässigt würde. Selbst viele der angeblich berüchtigten Spielhallen, Cafés und Shisha-Bars auf der Bochumer Straße stehen mittlerweile leer.
Darüber hinaus scheinen sich Benutzer eines Begriffs wie „No-go-Area“ dessen stigmatisierender Konnotation nicht bewusst zu sein. Kommuniziert man Gelsenkirchen-Ückendorf als „No-go-Area“, bedeutet das für viele Empfänger: „Geht dort nicht hin. Es ist nicht sicher. Dort passiert euch etwas Schlimmes. Da leben nur schlechte Menschen.“ Damit werden nicht nur alle Einwohner des Stadtteils diffamiert und ausgegrenzt, sondern auch das Engagement derer herabgewürdigt und behindert, die sich um eine positive Entwicklung bemühen. Egal ob Stadtentwickler, Sozialarbeiter, Künstler, Unternehmer oder engagierte Bürger. Egal ob mit oder ohne „Migrationshintergrund“. Egal ob mit oder ohne deutschem Pass.
Ebenso oft wie den Begriff „No-go-Area“ hört man typische „Stammtisch-Parolen“ à la: „Die Lage wird immer schlimmer. Früher war alles besser.“ Tatsächlich war in Gelsenkirchen-Ückendorf die Situation einst wesentlich besser als heute. Der Stadtteil hat in den letzten Jahrzehnte einen erheblichen Niedergang erlebt, verfügt aber immer noch über ungeheures Potential. Allerdings gab und gibt es in Großstädten immer bessere und schlechtere Viertel. Überall sind Stadtteile, die einst sozial besser gestellt waren, abgerutscht und auch wieder hochgekommen. Umgekehrt genauso. Dies hat weder damit zu tun, dass es heute mehr Kriminalität geben würde, noch damit, dass wir heute in einer multikulturelleren Gesellschaft leben. Eins ist aber ganz sicher heute anders: die Masse der medialen Aufmerksamkeit, die jedes große wie kleine Ereignis erhält.