TRANSURBAN Residency
TRANSURBAN
Residency
- Projektjahr: 2021
- Partner: Stiftung Schalker Markt, Kulturreferat Gelsenkirchen, artrmx e.V.
- Ziel: Stadtentwicklung mit den Mitteln der Kunst vorantreiben
TRANSURBAN war eine mehrwöchige Künstler:innenresidenz, die an den in Gelsenkirchen-Schalke angestrebten städtebaulichen und stadtplanerischen Wandel anknüpfte. Mit den Mitteln unterschiedlicher Kunstarten und -aktionen wurden im Juli 2021 Impulse für eine zukünftige Um-, Neu- bzw. Wiedernutzung zweier Orte im Stadtteil geschaffen: den Schalker Markt und die ehemalige Unterführung der Berliner Brücke.
Im ersten Schritt sollte in der Öffentlichkeit, Stadtgesellschaft, Politik und Verwaltung überhaupt (wieder) ein Bewusstsein für diese Anliegen geschaffen werden. Die städtebaulichen „Sünden“ der Nachkriegszeit im Stadtteil wurden diskutiert, um sie mittelfristig zu beseitigem bzw. umzugestalten.
Der einstige Schalker Markt als zentraler öffentlicher Platz der Begegnung und Kultur ist heute ein Parkplatz, die viel autobefahrene Berliner Brücke ein „Angstraum“ für Fussgänger:innen und Fahrradfahrer:innen. Unter ihr wird der Stadtteil durch Werksgelände abgeschnitten.
TRANSURBAN sollte also insbesondere die Themen Verkehrswende, Nutzung von Straßen und Wegen sowie des öffentlichen Raums im Stadtteil Schalke in den Fokus nehmen. Kann / soll / muss städtischer Raum in Schalke besser genutzt werden als z.B. für Parkplätze? Wie kann eine Neu- / Umnutzung einen wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Aufschwung des Stadtteils unterstützen? Wie schafft man eine Neustrukturierung des Verkehrs, damit dieser sicher und bequem für alle Verkehrsmittel ist?
Projektraum Schalker Markt 01.-31.7.2021
Unter der massiven Berliner Brücke, an der Kurt-Schumacher-Straße gelegen, befindet sich der Schalker Markt, Programmort der TRANSURBAN Residency in Gelsenkirchen. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts lebendiger Mittelpunkt des Stadtteils Schalke, umgeben von Bars, Restaurants, Wohnhäusern und nahegelegenen Industriekomplexen, erfuhr er in Folge des Niedergangs der Kohle- und Stahlindustrie und dem Abwandern des legendären Fußballvereins Schalke 04 einen Bedeutungsverlust und wird heute lediglich als Parkplatz genutzt.
Die fehlenden sozialen und ökonomischen Strukturen rund um den Markt, seine Lage an einer Güterbahntrasse und der Berliner Brücke, die den Stadtteil nicht nur physisch, sondern auch formal in zwei Hälften teilt, sowie die aufgegebenen Industrieanlagen zeugen von seiner Verwahrlosung und der Herausforderung ihn wieder zu beleben. Die Residency stellt sich dieser Herausforderung und betrachtet den Schalker Markt als einen urbanen Möglichkeitsräume im Ruhrgebiet, der Historie und Gegenwart von Industrie(-kultur), Sozialgeschichte, Stadtplanung, Anekdoten und Freiräume vereint.
Entsprungen aus dem Wunsch nach Veränderung, erkundet die Residency in einem partizipativen Prozess, mit interessierten BürgerInnen, dem französischen Künstlerkollektiv Ya Plus K und Studierenden des Masterstudiengangs Städtebau NRW, den Schalker Markt und seinen umliegenden Stadtraum. Durch das Sammeln historischer Fakten, Erinnerungen, Wünsche und Gedanken zeigt sich die in Vergessenheit geratene Vielfältigkeit dieses mystischen Schalker Ortes.
Temporäre architektonische und künstlerische Installationen, Ausstellungen und kulturelle Veranstaltungen beleben den Schalker Markt und verdeutlichen sein Potential als Möglichkeitsraum.
Dabei rücken auch die Themen der Verkehrswende und integrierten Stadtentwicklung in den Fokus der künstlerischen und forschenden Auseinandersetzung. Im Rahmen des ein-monatigen Reallabors wird erlebbar, was möglich ist – es entsteht ein gemeinschaftlich geplanter, gestalteter und genutzter Raum.
Das französische Kollektiv Ya Plus K aus der Region Île de France vereint ArchitekInnen, StadtplanerInnen, KünstlerInnen und DesignerInnen, die mit ihren verschiedenen Begabungen und Interessensschwerpunkten innovative städtebauliche und architektonische Projekte realisieren. Sie öffnen und beleben brachgefallene Orte, indem durch temporäre Konzepte und Installationen die Geselligkeit und Begegnung ins Zentrum der Räume gerückt wird und ihre NutzerInnen dazu eingeladen werden, sich den öffentlichen Raum (wieder-) anzueignen.
Ya+K arbeitet mit sogenannten „Objects of Urban and Sensitive Disturbance“ (O.P.U.S), also Objekten der städtischen und empfindlichen Störung. Mittels O.P.U.S erschafft das Kollektiv Situationen, die darauf abzielen Begegnungen zu produzieren, mit anderen Nutzungen zu experimentieren und temporär Potentiale zu aktivieren, stets mit dem Ziel, die Einrichtungen und Kräfteverhältnisse im öffentlichen Raum offenzulegen, sie zu hinterfragen und sogar ihre Mechanik zu beugen. Es geht ihnen darum, einen Dialog zwischen dem Ort und den NutzerInnen aufzubauen und einzigartige Erfahrungen zu erzeugen.
Während des Residency wird der Schalker Markt schließlich zu einem Ort des Experimentierens. Es werden alternative Wege erkundet, um die Stadt zu verstehen. Aufbauend auf ihrer Vision einer Produktion von „aktiver“ Architektur wird so ein ortsspezifisches Zeichen für eine architektonische/installative Intervention auf dem Schalker Markt entwickelt, wodurch die Architektur die Produktion neuer Imaginarien und neuer Formen von Urbanität aus lokalen Ressourcen und Koproduktionsprozessen ermöglicht. So kann das Potenzial des Schalker Marktes als zentraler öffentlicher Raum und als Gemeinschaftsraum wieder „öffentlich gemacht“ werden.
Projektraum Berliner Brücke 10.-31.7.2021
Während unserer Residency möchten wir einen gemeinsamen Versuch unternehmen, auf die vorhandene Möglichkeit einer alternativen Verbindung zwischen Schalke und Schalke-Nord mit künstlerischen Mitteln aufmerksam zu machen. Hierfür sind verschiedene Interventionen in Arbeit, die den Tunnel an die „Oberfläche“ holen und seine Existenz im Alltag präsent machen. Unter anderem planen wir performative Experimente im Prozessraum, sowie eine visuelle Sequenz vom Tunnel am Brückengeländer, welche für Bahnfahrende sichtbar sein wird. Aber auch in der Unterführung selbst wollen wir aktiv werden, indem wir das vorhandene Potential des Ortes verstärken, einen temporären Wahrnehmungsraum schaffen und diesen nach Möglichkeit mit dem Schalker Markt verbinden.
Künstler:innen
Ole-Kristian Heyer
Ole-Kristian Heyer, geboren 1981 in Mülheim an der Ruhr. Studierte Freie Kunst mit Schwerpunkt Fotografie/Medien an der fadbk, Essen und Geografie mit Schwerpunkt Kartografie/Raumwahrnehmung an der Ruhr-Universität Bochum. In seinen Arbeiten fließen Prinzipien menschlicher Wahrnehmung mit Funktionsweisen visueller Medien zusammen.
Mabel Yu-ting Huang
Mabel Yu-ting Huang. *1990, kommt ursprünglich aus Taiwan. Studierte an der Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart und der Hochschule für Musik Luzern. Als Pianisten trat sie bei Festivals wie Donaueschingen Musiktage, Luzern Sommer Festival, Luzern Piano Festival, Paris Festival d’Automne, Festival de Royaumont, Waleser Klavier Festival, Migma Performance Tage Luzern und Darmstädter Ferienkurs auf. Ihre Arbeiten spiegeln eine musikalische Auseinandersetzung mit Räumen, Orten, sozialen Strukturen und Themen der Gegenwart.
Dawid Liftinger
Dawid Liftinger ist 1986 in Österreich geboren. Hat an der Kunstuniversität in Linz studiert und lebt zurzeit in Köln. In seinen Arbeiten erforscht er sensorische und synästhetische Zustände mit Hilfe selbstgebauter Elektronik. In seiner Installationen und Performances nutzt er die wesentlichen Eigenschaften von Licht und Ton.
Seine Arbeiten waren unter anderem zu sehen im Österreichischen Kulturforum (London / UK), Ars Electronica Festival (Linz / Österreich), RESPONSIVE (Halifax / Kanada), 噪咖藝術有限公司 noiseKitchen (Taipeh / Taiwan), 스페이스 오뉴월 Galerie O’NewWall (Seoul / Korea) und TADAEX م حسن گا لری (Teheran / Iran).
Jury
Sarah Rissel
Die selbstständige Grafikdesignerin gestaltet ästhetische Corporate- & Verpackungsdesigns unter sozial-ökologischen Aspekten. Als Co-Kreatorin entwickelt sie kreative Konzepte & Marketingstrategien. Die Vorständin der IUC bringt Ordnung ins kreative Chaos.
Olivier Kruschinski
Olivier Kruschinski, auf Gelsenkirchener Kohle geboren und Schalker quasi von Geburt an, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Industrie- und Fußballgeschichte von Schalke und führt im Rahmen der „Mythos-Tour“ regelmäßig Reisegruppen durch den berühmten Stadtteil und Mit-Initiator und Vorstand der Stiftung Schalker Markt.
Andrea Lamest
Andrea Lamest leitet das Referat Kultur der Stadt Gelsenkirchen. Nach Studium der Freien Kunst in den Niederlanden und an der HfK Bremen, anschließendem Studium in Kulturwissenschaft/Kulturmanagement in Ludwigsburg, war sie für die Robert Bosch Stiftung als Kulturmanagerin in der Ukraine tätig. Danach war sie als Direktorin von Künstlerhäusern in Bayern auch für internationale Residency Programme zuständig.
Christiane Wanken
Christiane Wanken ist Sammlungsleiterin am Kunstmuseum Gelsenkirchen. Nach Stationen in Köln und Berlin lebt und arbeitet sie nun im Ruhrgebiet. Am Kunstmuseum Gelsenkirchen setzt sie sich gerade intensiv mit den Möglichkeiten der digitalen Vermittlung von Kunst auseinander. Ansonsten liegt ihr Arbeitsschwerpunkt bei moderner und zeitgenössischer Kunst.
Dr. Siegbert Panteleit
Siegbert Panteleit ist seit 25 Jahren in den verschiedenen Schwerpunkten der Standort- und Projektentwicklung tätig. Auf Grundlage einer praktischen Ausbildung zum Gärtner, eines Ingenieurstudiums in Essen, praktischer Tätigkeit als Bauleiter und eines wissenschaftlichen Studiums in Hannover zum Diplomingenieur für Landschaftsplanung, ist er heute insbesondere für Kommunen und Städte als freiberuflicher Stadtentwickler aktiv.