Kein Malheur, sondern Mode: Zwei Designerinnen aus Gelsenkirchen begeistern weltweit mit Latexstrumpfhosen, an denen scheinbar Schleim herunterläuft. Die Dinger sind ein Hit.
Der nackte Putz ist dunkelbraun gestrichen und mit abstrakter Kunst behängt, Holzpaletten und Kleiderstangen dienen als Möbelstücke. Das Atelier von Sara und Johanna Urbais, 24 und 21, könnte auch im hippen Londoner East End liegen. Doch die beiden Modedesignerinnen arbeiten nicht in England, noch nicht einmal in Friedrichshain, sondern in Gelsenkirchen.
Vor knapp zwei Jahren gründeten die Schwestern ihr Online-Label URB Clothing in der Ruhrgebietsstadt. „2012 habe ich noch Mode in Düsseldorf studiert und hatte ein Seminar über die flexible Eigenschaft von Latex. Als ich das Johanna erzählte, kamen wir direkt auf die Idee für die Melting Tights“, sagt Sara.
Die Melting Tights, das sind ihre Prunkstücke – Strumpfhosen bedruckt mit neonfarbenem Latex, das aussieht, als würde es schmelzend an den Oberschenkeln herunterlaufen. „Am Anfang wollten wir nur testen, ob wir einen Trend setzen können“, sagt Johanna. „Wir hatten keine Absicht, Geld zu verdienen.“
„Deutsche tragen, was ihnen Einkäufer vorschreiben“
Taten sie dann aber doch relativ schnell. Beide waren als Bloggerinnen aktiv und hatten zusammen über 2500 Follower. Sie posteten ihren Entwurf der Glibberhosen, der sich durch eine Erwähnung der populären US-Designerin Nicole Winters auf deren Blog wie ein Lauffeuer verbreitete. Saras und Johannas E-Mail-Postfächer quollen vor Anfragen über.
Um einen Onlineshop zu starten, liehen sie sich 100 Euro von ihrer Mutter und gründeten URB Clothing. Sara hatte zuvor ihr Modestudium abgebrochen, Johanna war nach dem Abitur ohnehin auf Jobsuche. Nach drei Wochen hatten sie mehrere Bestellungen pro Tag. Weitere wichtige Fashion-Medien wurden auf ihr kleines Label aufmerksam. Die britische „Vogue“ berichtete, US-Blogger-Ikone Perez Hilton nannte die Melting Tights revolutionär und Hayley Williams, Sängerin der Band Paramore, trug sie in einem Musikvideo.
Ein Artikel von Roman Milenski, erschienen in „Spiegel online“ am 19.09.2014